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Steuerstraftat und Restschuldbefreiung

Gem. § 302 Nr. 1 InsO sind von der Erteilung der Restschuldbefreiung u.a. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einem Steuerschuldverhältnis ausgenommen, wenn der Schuldner in diesem Zusammenhang wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder 374 AO rechtskräftig verurteilt wurde und die entsprechenden Forderungen unter Benennung des Attributs „im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat“ seitens der Finanzverwaltung nach § 174 Abs. 2 InsO zur Tabelle angemeldet worden sind.

Die Regelung des § 302 Nr. 1 InsO stellt die Praxis vor unterschiedliche Anwendungsfragen. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung in der Literatur muss die strafrechtliche Verurteilung zwar nicht bereits im Zeitpunkt der Anmeldung zur Tabelle vorgelegen haben, jedoch ist derzeit noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob die Verurteilung bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung vorliegen muss. Auch ist z.B. in Fällen des Widerspruchs des Schuldners gegen die Forderungsanmeldung mit der Folge des Erlasses eines Feststellungsbescheides i.S.d. § 251 Abs. 3 AO fraglich, welchen konkreten Inhalt der Feststellungsbescheid in Bezug auf das Attribut „im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat“ haben darf.

In dem vom FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 05.07.2021 (Az. 16 K 11072/19) entschiedenen Fall hatte das Finanzamt in einem auf den Widerspruch des Schuldners gegen die nachträgliche Geltendmachung des Attributs „aus einer Steuerstraftat gem. § 370 ff AO“ ergangenen Feststellungsbescheid zunächst die Formulierung aufgenommen, die betreffenden Forderungen gegen den Schuldner seien von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Hiergegen hatte der Schuldner Einspruch u.a. mit der Begründung eingelegt, die rechtskräftige Verurteilung hätte bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Forderungsanmeldung vorliegen müssen, i.Ü. und hilfsweise habe das Finanzamt seine Kompetenzen überschritten und allenfalls feststellen dürfen, dass die in Rede stehenden Steuerforderungen auf einem Steuerschuldverhältnis beruhten, derentwegen der Schuldner im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Einspruch wurde vollumfänglich zurückgewiesen. Erst i.R.d. Klageverfahrens hatte das Finanzamt - im Nachgang zum Schlusstermin - einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen, so dass das FG letztlich nur noch darüber zu entscheiden hatte, ob die Anmeldung des Attributs „im Zusammenhang mit einer Straftat des Schuldners nach §§ 370 ff AO“ nachgeholt werden kann. Dies wurde bejaht. Eine zeitliche Grenze bestehe nur insoweit, als die Anmeldung des Attributs zur Tabelle spätestens bis zum Ablauf der sechsjährigen bzw. inzwischen nur noch dreijährigen Abtretungsfrist ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sein muss.

Im Zuge der seitens des Schuldners eingelegten Revision wird der BFH (Az. VII R 23/21) nunmehr darüber zu befinden haben,

  • ob die Restschuldbefreiung in Bezug auf eine Verbindlichkeit des Schuldners, in deren Zusammenhangs er wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt wurde nur dann entfällt, wenn die strafrechtliche Verurteilung oder gar deren Rechtskraft bereits bei der Anmeldung der Forderung zur Tabelle vorgelegen hat bzw.
  • falls nicht, es zumindest erforderlich ist, die Umstände, aus denen sich die Steuerstraftat ergibt, bei Anmeldung der Forderung zur Tabelle anzugeben.

Abzuwarten bleibt, ob und wie der BFH die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 302 Nr. 1 InsO konkretisiert und sich ggflls. auch dazu äußert, welche Formulierungen das Finanzamt zulässigerweise in einen Feststellungsbescheid aufnehmen kann, mit dem ein Widerspruch gegen den Rechtsgrund des § 302 Nr.1 InsO beseitigt werden soll.

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