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Ertragsteuer: Rückwirkung der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe

Soweit dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO erteilt wird, ergeben sich daraus nicht selten nachteilige einkommensteuerliche Folgen. Der Ertrag aus dem Wegfall (vormals) betrieblicher Verbindlichkeiten infolge Restschuldbefreiung gem. § 3a Abs. 5 EStG ist zwar einkommensteuerfrei. Jedoch führt dies aufgrund der i.R.d. § 3a Abs. 3 EStG angeordneten Verlustverrechnung zu einem Wegfall der einkommensteuerlichen Verlustvorträge (§ 10d Abs. 2 EStG), die für nachfolgende Veranlagungszeiträume nicht mehr für Zwecke der Verrechnung zur Verfügung stehen. Je nach Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung (vor oder nach Verfahrensaufhebung) können sich hieraus Einkommensteuerzahllasten der Insolvenzmasse oder des Steuerpflichtigen ergeben.

Der BFH hat mit Urteil vom 13.12.2016 (Az. IX R 4/15, Veröffentlichung im Bundessteuerblatt am 08.08.2017) entschieden, dass die Restschuldbefreiung in Fällen der Betriebsaufgabe vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO bildet. Die Frage der Rückwirkung der Restschuldbefreiung bei Betriebsaufgabe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde bislang nicht höchstrichterlich entschieden.

Die Finanzverwaltung vertrat bislang die Auffassung, dass die Restschuldbefreiung kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO darstellt und ein hierdurch entstandener Gewinn erst im Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung realisiert ist. Nunmehr hat sich die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben v. 08.04.2022 (Veröffentlichung im Bundessteuerblatt am 19.05.2022) erneut zur Rückwirkung der Restschuldbefreiung geäußert und vertritt nunmehr die Auffassung, dass die Restschuldbefreiung in allen offenen Fällen ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO darstellt und dies unabhängig davon gilt, ob die Restschuldbefreiung vor oder nach Insolvenzeröffnung erteilt wird. Jedoch gewährt die Finanzverwaltung Vertrauensschutz, sodass die Erteilung der Restschuldbefreiung in folgenden Fällen kein rückwirkendes Ereignis beinhaltet:

  • der Betrieb wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor dem 19.05.2022
  • der Betrieb wurde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor dem 08.08.2017

aufgegeben oder gilt als aufgegeben.

Handlungsempfehlung:

Soweit ein Sachverhalt vorliegt, für den die Vertrauensschutzregelungen Anwendung findet, sollte der Einkommensteuerbescheid des Veranlagungszeitraums der Betriebsaufgabe dahingehend geprüft werden, inwieweit das Finanzamt einen „Sanierungsgewinn“ festgestellt und diesen mit einem vorhandenen einkommensteuerlichen Verlustvortrag verrechnet hat. Soweit der Einkommen- und Verlustfeststellungsbescheid noch änderbar sind, sollten diese unter Bezugnahme auf das o.g. BMF-Schreiben angefochten werden.

In allen übrigen Fällen, in denen der Vertrauensschutz nicht greift und die Veranlagung noch nicht abgeschlossen ist, empfehlen wir eine Überprüfung der steuerlichen Folgen des rückwirkenden Wegfalls des einkommensteuerlichen Verlustvortrages für die Insolvenzmasse.

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