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Verfassungswidrigkeit der Abgeltungssteuer?

Das Niedersächsische Finanzgericht in Hannover hält die Vorschriften über die seit 01.01.2009 geltende Abgeltungsteuer gem. § 32d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG für mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar und hat sie dem Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18. März 2022 (Link) zur Prüfung vorgelegt. Die Vorlageentscheidung wird im Wesentlichen wie folgt begründet:

„Die Abgeltungsteuer führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den übrigen Steuerpflichtigen. Während die Bezieher von Kapitaleinkünften (nach § 32d Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG) mit einem Sondersteuersatz von 25 % abgeltend belastet werden, unterliegen die übrigen Steuerpflichtigen gemäß § 32a EStG einem Steuersatz von bis zu 45 %.“

Die Abgeltungssteuer wurde durch das UntStRefG 2008 v. 14.8.2007 mit der Begründung (BT-Drs 16/4841) eingeführt, dass hierdurch das Interesse privater Anleger verringert werde, Kapital allein aus steuerlichen Gründen ins Ausland zu verlagern und die vorgesehene Abgeltungsteuer zu einer drastischen Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens von Kapitaleinkünften führe.

Eine Einschätzung dahingehend, wie das Bundesverfassungsgericht über die Vorlagefrage entscheiden wird und welche konkreten Auswirkungen dies für Kapitalanleger hätte, ist derzeit kaum möglich. Hinsichtlich bereits erlassener Steuerbescheide dürfte eine nachträgliche Änderung der Besteuerung von Kapitalerträgen, die nicht bereits der Abgeltungssteuer unterlegen haben (z.B. ausländische Einkünfte) grds. nur dann möglich sein, wenn die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) stehen. Soweit die Kapitalerträge der Abgeltungssteuer unterlegen haben und keine Berücksichtigung im Steuerbescheid erfolgt ist, sind keine Änderungen des seitens der Banken vorgenommenen Einbehalts mehr möglich. Ist eine Berücksichtigung der Abgeltungssteuer über den Anrechnungsteil (Vorauszahlung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer) erfolgt, dürfte zu Ungunsten des Steuerpflichtigen nach den Vorschriften der §§ 129 bis 131 AO ebenfalls keine Änderung mehr möglich sein. Künftige Steuerbescheide wird die Finanzverwaltung wohl mit entsprechenden Voräufigkeitsvermerken hinsichtlich der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen versehen, sodass eine Änderung auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen möglich wäre.

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